Ein Kurzroman mit echten Vorbildern und Inspiration zu Nachhaltigkeit, Innovation und Diversity im Technologie-Bereich.
Autorin: Alice N. York
Louisa legte auf. Es war ein anstrengendes Telefonat gewesen. Wieder einmal. Nach diesen Gesprächen fragte sie sich immer, warum sie sich das überhaupt antat. Sie hatte mit einer Freundin aus Kindheitstagen gesprochen. Früher, als Kinder, waren sie unzertrennlich gewesen. Je älter sie wurden, desto mehr entwickelten sich ihre Leben in unterschiedliche Richtungen und sie lebten sich nach und nach auseinander.
Wenn sie miteinander sprachen, fühlte Louisa sich immer angegriffen. Ihre Freundin stellte alles, was sie tat, in Frage. Dann begann Louisa sich zu rechtfertigen, zu erklären. Sie wusste nicht einmal, warum sie das tat. Wahrscheinlich sehnte sich ein Teil von ihr danach, dass es zwischen ihnen wieder wie früher war, als ihre Freundschaft von gegenseitigem Verständnis und beidseitiger Anerkennung geprägt war.
Normalerweise wäre sie nicht einmal im Land gewesen, um diesen Anruf entgegenzunehmen. Aber ihre Reisepläne lagen auf Eis. Bis wann wusste niemand. Louisa hatte sich so sehr darauf gefreut, nach Toronto zu fliegen, nachdem sie vor Monaten über die Stadt gelesen hatte. Eine Reise nach Kanada stand ganz oben auf ihrer Liste. Flug und Wohnung waren bereits gebucht gewesen. Dann war die Pandemie ausgebrochen und die Welt ging in den „Lockdown“. Jedenfalls viele Teile davon.
Zuerst war sie am Boden zerstört. Ab Mitte März war sie für mehrere Wochen in ihrer Wohnung eingesperrt, mit Ausnahme von Besorgungen, die als notwendig erachtet wurden. Zumindest hatte sie einen schönen Hinterhof, in dem sie eine Pause im Freien einlegen konnte. Louisa hatte es immer geliebt, auf dem Land zu leben, und schätzte es nun umso mehr.
Am schwierigsten für sie war am Anfang, dass sie ihre Familie und Freunde nicht sehen konnte. Ein Abendessen am Wochenende oder Kaffeetrinken mit ihren besten Freunden an faulen Sonntagen waren schöne Erinnerungen, die sie unbedingt auffrischen wollte. Chats in sozialen Netzwerken waren kein Ersatz dafür. Stundenlange Videoanrufe waren anfangs komisch, machten aber schließlich Spaß, nur eben ohne Umarmungen und High Fives. In der übrigen Zeit wurden Internet und Fernsehen zu ständigen Begleitern.
Nachrichtenticker lieferten scheinbar im Minutentakt Aktualisierungen und mögliche Gegenmaßnahmen. Die ständigen Informationen über die unsichere Lage schürten allerdings nur die Angst. Nach einigen Wochen beschloss Louisa, die Updates seltener zu lesen und sich auf wichtige Ankündigungen zu konzentrieren. Ihre Stimmung hob sich sofort. Es herrschte noch so viel Verwirrung um dieses neue Coronavirus, dass man anfangs nicht wusste, wem man glauben sollte.
Der Fachjargon der Wissenschaftler war anfangs verwirrend und machte es noch schwerer, die Zusammenhänge zu verstehen. Der Erreger der Krankheit wurde SARS-CoV-2 genannt, ein neues Mitglied der Coronaviren-Familie. Menschen, die sich mit dem Virus infizierten, erkrankten an COVID-19. Vielleicht verlief die Krankheit wie eine Grippe. Vielleicht war sie aber auch wesentlich schlimmer. Manche starben daran. Andere wiederum zeigten überhaupt keine Symptome.
Ersten Berichten zufolge waren vor allem Ältere gefährdet und Menschen, die bereits an einer anderen Krankheit litten oder ein schwaches Immunsystem hatten. Bei Kindern und Jugendlichen war es weniger wahrscheinlich, dass die Krankheit einen schweren Verlauf nahm. Auch die Blutgruppe schien eine Rolle zu spielen. Aber niemand wusste wirklich Bescheid. Alle tappten im Dunkeln.
Betrachtete man die Länder, die bei der Reduzierung der Reproduktionsrate erfolgreicher waren als andere, wurde eines zumindest klar: Um die Krankheit einzudämmen, musste der Kontakt mit anderen Menschen eingeschränkt werden. Interessanterweise wurden die meisten Länder, die bei der Verhinderung größerer Ausbrüche erfolgreich waren, von Frauen geführt. Deutschland war eines dieser Länder.
Schritt für Schritt stellte sich Louisa auf das ein, was als die „neue Normalität“ bezeichnet wurde. Sie hielt Abstand, wenn sie einkaufen ging, hatte in fast jeder Jacke und Handtasche eine Maske und machte es sich zur Gewohnheit, sich oft und gründlich die Hände zu waschen. Seife war wirksamer darin, das Virus aufzulösen und damit zu neutralisieren, als die herkömmlichen Desinfektionsmittel, die weniger als sechzig Prozent Alkohol enthielten.
Als der Lockdown begann, schien der größte Teil des öffentlichen Lebens wie auf Eis gelegt. Firmen, die von dem plötzlichen Rückgang der allgemeinen Wirtschaft kaum betroffen waren, schickten ihre Mitarbeiter ins Homeoffice. Andere gingen in Kurzarbeit, eine Maßnahme, die von der Regierung bezuschusst wurde. Kindergärten, Schulen und Universitäten mussten allesamt schließen. Genauso wie Restaurants, Bars und Clubs – und sogar der Zoo.
Louisa hatte im vergangenen Jahr angefangen, Innenarchitektur zu studieren. Der Start des zweiten Semesters wurde um mehrere Wochen verschoben. Zwei Monate nach dem Lockdown wurden die Dinge einfacher, da die Einschränkungen etwas reduziert wurden. Das erste Wiedersehen mit ihrer Familie war ein Fest: Sie verbrachten den ganzen Tag im Garten, grillten und genossen die Frühlingssonne.
Bald darauf durften sich kleine Gruppen von Menschen, die nicht miteinander verwandt waren, wieder in Bars und Restaurants im Freien treffen. Louisas Heimatort war von schweren Fällen verschont geblieben und es wurden keine neuen gemeldet. Alle atmeten erleichtert auf, waren aber weiterhin auf der Hut. Nur ein kleiner Teil der Menschen war getestet worden.
Die Chance, dass jemand das Virus in sich trug, ohne Symptome zu zeigen, bestand nach wie vor. Um das Risiko zu minimieren, blieb das Tragen einer Maske in öffentlichen Innenräumen Pflicht. Und fast jeder in ihrer Stadt zeigte Respekt und hielt sich daran. Bald wurden die Vorlesungen wieder aufgenommen, allerdings in Form von Online-Sitzungen. Es dauerte eine Weile, bis man sich daran gewöhnt hatte, von zu Hause aus zu arbeiten, aber jetzt war es okay.
Zusätzlich zu den Lehrinhalten des Innenarchitektur-Studiums wurden Louisa und ihre Kommilitonen mit der Recherche aktueller technischer Trends beauftragt. In ihren einschlägigen Newslettern zu kreativen Themen würde sie eher nicht fündig werden. Doch wo anfangen? In den Untiefen des Internets und der Flut an Informationen konnte man sich leicht verlieren.
Eines Morgens erhielt Louisa einen überraschenden Anruf, der zur Abwechslung sehr ermutigend war. Ihre Tante Alex nahm als Rednerin an einer der größten Technologiekonferenzen der Welt teil, und hatte ein Gast-Ticket für ihre Nichte. Louisa war aufgeregt, denn wenn Menschen an Innenarchitektur dachten, verbanden nur die wenigsten diese mit Technologie. Die Mehrheit stellte sich luxuriös gestaltete Villen, luftige Lofts und gemütliche Landhäuser vor.
Komfortanspruch und der Klimawandel verlangten jedoch nach Technologien, die das Zuhause intelligent und zu einem Smart Home machten. Innenarchitektur war per Definition die Kunst und Wissenschaft zur Schaffung einer gesunden und ansprechenden Umgebung für die Bewohner eines bestimmten Raums.
Sensoren, Software und Aktuatoren waren ebenso wichtig wie die effektive Raumnutzung oder ästhetische Aspekte: elektrisch betriebene Fenster und Jalousien, die sich automatisch der Luftqualität im Haus und dem Sonnenstand anpassten; Regler für Raumtemperaturen, die je nach Zimmer und Zeit individuell eingestellt und kontrolliert werden konnten, um den Vorlieben jedes einzelnen Bewohners gerecht zu werden. Der Betrieb von Wasch- und Geschirrspülmaschinen oder das Laden von Elektrofahrzeugen in Nebenzeiten sorgte für eine gleichmäßige Auslastung des Stromnetzes und kam dem Geldbeutel des Hausbesitzers sowie der Umwelt zugute.
Beim Durchsehen der Website, der Redner und des Themenplans der Konferenz war Louisa sofort Feuer und Flamme und nahm das Ticket ohne zu zögern an. Sie erfuhr, dass die Veranstalter Anfang März die ersten waren, die den Schritt wagten, ein Event dieser Größenordnung komplett online zu veranstalten, damit die Menschen sicher von zu Hause aus teilnehmen konnten.
Eine nicht gerade kleine Herausforderung, wenn man bedachte, dass 32 000 Teilnehmer aus über 140 Ländern 634 kuratierte Redner erleben wollten. Für Start-ups konnte die Teilnahme an der Konferenz einen Durchbruch bedeuten. Angesichts der Pandemiesituation waren Risikokapital und Großinvestoren schwieriger zu finden. 850 Investoren würden durch die virtuellen Ausstellungshallen streifen, um Finanzierungsmöglichkeiten auszuloten und ihr Portfolio zu erweitern.
In diese für sie noch neue, stark technologieorientierte Welt wollte Louisa unbedingt tiefer eintauchen. Sie war sich sicher, dass das die Chance war, ihren Professor zu überraschen. Sie nahm es auch als gutes Omen, dass die Veranstaltung normalerweise in Toronto stattgefunden hätte – was der Grund dafür war, dass alle Termine durch die Zeitverschiebung bei ihr in Deutschland sechs Stunden später begannen.
Am frühen Nachmittag des ersten Tages war Louisa startklar: Die mobile App war heruntergeladen, um ihre Termine zu planen und sich mit anderen Teilnehmern oder Unternehmen zu vernetzen; sie war in die Web-App eingeloggt, um Videokonferenzen, Interviews und Fragerunden oder Pressekonferenzen mitzuverfolgen; der Akku ihres Laptops war vollständig aufgeladen, der Bildschirm in einem bequemen Blickwinkel eingestellt; Wasser und Snacks standen daneben.
Es war am Anfang eine Herausforderung gewesen, sich in der Fülle der Themen zurechtzufinden. Viele Vorträge waren der aktuellen Situation gewidmet, wie Unternehmen und ihre Mitarbeiter sich auf das Arbeiten aus der Ferne eingestellt oder bei ihren Projekten zur digitalen Transformation einen Gang zulegt hatten. Da Louisa nebenher noch einige Aufgaben für ihr Studium erledigen musste, konzentrierte sie sich auf Themen rund um Nachhaltigkeit und auf Menschen, deren Geschichten sofort ihr Interesse geweckt hatten.
Was sie wohl alles erfahren würde?
COMING SOON – ALS TASCHENBUCH UND E-BOOK
UNTER DEN ROLE MODELS SIND
LOUISA KRONTHALER – ALYSSA CARLSON – EMMA ROSE COHEN –BRIAN BUSHELL – ETHAN SONG – MOLLY BLOOM