Was haben 2 Millionen Menschen, 388 Elektrofahrzeuge und ein Fallschirmspringer gemeinsam?
Sie alle waren Teil des größten Schweizer Volksfestes im Stadtzentrum von Zürich am ersten Juli-Wochenende im Jahr 2013. Ein Ereignis, das sich bereits im Vorfeld einen Platz auf der Liste der „heißen Schauplatz-Kandidaten“ für Projekt Black Hungarian gesichert hatte. Eine riesige Party direkt am See und zwischen altehrwürdigen Gebäuden in Zürichs Innenstadt? Ein Weltrekordversuch mit Hunderten von Fahrzeugen entlang der Seepromenade? Das klang nach vielversprechenden Szenen für den Spionageroman. Unsere Erwartungen wurden nicht enttäuscht! Wir haben uns mit zwei Kapiteln im Buch revanchiert.
Was ist wirklich passiert?
Am Morgen des 6. Juli 2013 reihten sich 388 Elektrofahrzeuge am Utoquai auf, um den weltweiten Rekord für die längste Elektroauto-Parade aufzustellen.
Die Sonne strahlte mit den aufgeregten Teilnehmern um die Wette. Ab acht Uhr morgens traf, nach einem durch zahlreiche Straßensperren bedingten Hindernislauf, neben den Teilnehmern der WAVE Trophy ein kunterbuntes Sammelsurium von elektrischen Fahrzeugen ein.
Darunter die bisher größte Ansammlung von Tesla Fahrzeugen mit über fünfzig Roadster und zwei, damals noch seltenen Model S. Der Tesla Club Austria und sein Obmannstellvertreter, der als Vorjahressieger wieder bei der WAVE mitfuhr, hatte seine Mitglieder mobilisiert. Und für den STOC, den Swiss Tesla Owners Club, dessen Präsident am Abend zuvor bereits nach Baden zur WAVE kam, war es ein Heimspiel. Mehrere Dutzend Mitsubishi iMiev und Elektro-Smart Modelle aus dem Fuhrpark der beiden Energieversorger und Serienfahrzeuge wie der Nissan Leaf oder Renault Zoe mischten sich mit zahlreichen, drollig dreinschauenden SAMs, flinken Segways und Hybridfahrzeugen wie Twikes und Amperas.
Eingestreut waren Exoten wie das damals teuerste Elektrofahrzeug der Welt – der Concept One von Rimac aus Kroatien, dreirädrige TucTucs, Motorräder wie der Johammer – damals noch als Biiista unterwegs und Roller oder auch Umbauten eines Porsche und Volkswagen Bulli.
Schlusslicht bildete das von einem vollelektrischen T5 gezogene Elektroschnellboot, dem auch eine spezielle Rolle im Buch zuteil werden sollte – allerdings an anderer Stelle und in seinem natürlichen Habitat.
Es sollte ein dramatisches Wettrennen werden, denn die Vorgaben zur Aufnahme in das Guinness Buch der Rekorde waren streng. Die Fahrzeugparade musste aus verschiedenen Winkeln gefilmt werden. Sie durfte nicht auseinanderreißen (ein Abstand von nur wenigen Meter war erlaubt) oder durch Fremdfahrzeuge, sprich sich dazwischen drängelnde Stinker ohne Elektroantrieb, verunreinigt werden. Drei Faktoren schienen den Versuch schon vor Beginn zunichte zu machen. Erstens: die Straßenbahn, die im 90-Sekundentakt die Strecke kreuzte und absoluten Vorrang hatte. Zweitens: eine unangekündigte Baustelle, die vor dem Wendepunkt auf halber Strecke ein zusätzliches Nadelöhr bildete. Drittens: mehrere Lieferfahrzeuge, die es eilig hatten, die Bestände der Festbuden entlang der Seepromenade auf Vordermann zu bringen und wenig Verständnis im Gepäck hatten.
Kurz nach zehn Uhr erklang der Startschuss und die Parade setzte sich in Bewegung. Schwüle Hitze breitete sich unter dem kaum bewölkten Himmel aus. Auto um Auto schob sich meterweise die Strecke entlang. In die immer wieder von der Straßenbahn verursachten Lücken drängten sich vereinzelt ungeduldige nicht elektrisch Fahrende, die geflissentlich die Absperrung ignorierten. Eine stetig wachsende Anzahl von Besuchern, die entlang der Bürgersteige flanierte, huschte durch die Fahrzeuge von einer Straßenseite zur anderen, um die Fallschirmspringer bei ihrem Landeanflug auf Bundeswehrboote zu beobachten. Der Veranstalter rannte telefonierend und schweißtriefend die Strecke ab. Immer wieder schob er ruckartig Verkaufsbuden und Hindernisse zur Seite, um den Fahrzeugen seiner Parade Platz zu machen. Es ging schließlich um einen Weltrekord.
Bis zur letzten Minute war unklar, ob für den Weltrekord nur rein elektrisch betriebene oder auch Hybridfahrzeuge zugelassen werden würden. Daher hatten sich die Twike und Ampera Gruppen ganz ans Ende der Parade gereiht. Das erleichterte die Zählung. Von den insgesamt 388 Fahrzeugen wurden letztendlich nur die batterie-elektrischen Fahrzeuge gewertet. Zum Glück hatten 305 teilgenommen und der Weltrekord wurde trotz all der Widrigkeiten aufgestellt.
Das sind die Fakten.
Doch was war mit dem neunjährigen Florian, der an der WAVE Trophy teilnahm? Verschwand er tatsächlich während des Weltrekordversuchs? Wurde er sogar gewaltsam entführt? Wenn jemandem ein derart diabolischer Gedanke in den Sinn gekommen wäre, welche Rolle hätte dann das damals teuerste und schnellste Elektroauto der Welt – der rote Concept One – gespielt? Bei dem herrschenden Chaos – das in einer Zeitung treffend als größter Elektroauto-Stau bezeichnet wurde – wäre die Wahl des Ortes für eine derartige Aktion jedoch nicht verwunderlich gewesen.
Verfolgte einer der Fallschirmspringer, die während der Elektroautoparade unbemerkt von vielen Fahrern ganz in der Nähe im See landeten, eigene Ziele? Gab es an diesem Wochenende wirklich unter den Millionen von Partywilligen ein unfreiwilliges Drogenopfer, das in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen wurde? Zugegeben, die Aufräumarbeiten nach dem Fest, und der Versuch, den Geruch von Abfall, Alkohol und Urin in der Hitze schnell loszuwerden, hätten eine zartbesaitete Seele verrückt machen können.
Wahr ist, dass die Innenstadt von Zürich an diesem Wochenende ein Mekka für Partygänger war und jede Menge Unterhaltung bot – gekrönt von einem fantastischen Feuerwerk, das Gäste des Dolder Grand von ihrem Balkon aus sicherlich genossen haben. Wahr ist auch, dass die Stadt aufgrund der hohen Temperaturen und großen Menschenmengen dem Risiko einer Massenpanik ausgesetzt war, wie dies bei Großveranstaltungen eben der Fall ist.
Doch zum Glück gibt es neue Technologien wie das in Zürich 2013 vom DFKI (Deutsches Forschungsinstitut für künstliche Intelligenz) angewendete „Crowd Sensing“. Dabei werden anhand der Handy-Mobilfunksignale die Besucherdichte und die Bewegung der Menschenmenge erfasst und ausgewertet. So lassen sich kritische Situationen vorhersehen und Gegenmaßnahmen sofort vor Ort einleiten.
Eingebettete Intelligenz im Dienste der Menschen.
Und zuletzt sei erwähnt: Ohne die Inspiration durch die Projektionen von Sujets des bekannten Schweizer Lichtkünstlers Gerry Hofstetter an die Grossmünster-Kirche in Zürich am Abend des 7. Juli 2013 wäre unser Cover-Bild nicht entstanden.