Trendreport Landmaschinen

Fachartikel

November 2018

Hydraulik in Landmaschinen: Ernte gut, alles gut

Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland hat sich in den letzten acht Jahren um etwa ein Prozent pro Jahr verringert. In 2017 gab es 267.800 Betriebe. Die landwirtschaftlich genutzten Flächen sind jedoch mit rund 16,7 Millionen Hektar in etwa gleichgeblieben. Der Anteil an Öko-Flächen betrug dabei rund ein Zehntel. Die verbleibenden, stetig größer werdenden Betriebe setzen auf größere Maschinen, um die Effizienz zu steigern und damit bei gleichbleibendem Preisgefüge die Nachfrage bedienen zu können. Neben strenger werdenden Vorgaben zu Emissionen stellen größere Maschinen auch eine Herausforderung bei der Auslastung dar, die es bei den gestiegenen Anschaffungskosten zu gewährleisten gilt. Der Trend geht daher in Richtung Elektronifizierung und Digitalisierung.

Bei Claas, einem der weltweit führenden Hersteller von Landtechnik, weiß man, dass die Land- und Forstmaschinenbranche generell durch die zunehmende Professionalisierung ihrer Kunden geprägt ist. Deren Produktivität in der globalen Landwirtschaft hält laut dem Hersteller gut mit der Steigerung der Nachfrage

mit, wodurch die Endproduktpreise auf einem eher niedrigen Niveau liegen. Das hat Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit, in der nur gut geführte Betriebe mit effizienten Produktionsverfahren und moderner Technik bestehen.

Der Grad der Automatisierung und datengestützten Optimierung der Produktionsprozesse steigt zunehmend. Doch erhebliche Anteile der Entwicklungsressourcen der Landtechnikindustrie sind durch die Abgasvorschriften für motorgetriebene Maschinen und die Umsetzung der Grenzwertvorschriften für Stickoxyd- und Feinstaubemissionen gebunden. Dies hemmt die Innovation in anderen Technologiefeldern wie etwa die Weiterentwicklungen von Effizienzsteigerung und anderen gesellschaftlich relevanten Themen. Daher ist man bei Class überzeugt, dass der Beitrag zur Reduzierung von Klimagasemissionen in landtechnischen Prozessen nicht durch weitere Regulierungen erhöht werden sollte. Vielmehr kann über einen wettbewerbsgetriebenen Ansatz ein deutlich höheres Innovationspotenzial erzielt werden.

Gut aufgehoben

Bild: Claas

Innovation setzt Claas auch bei den Vorsatzgeräten seiner Mähdrescher um. Das neue Draper-Schneidwerk CONVIO FLEX eignet sich neben der Ernte von Getreide und Raps dank des flexiblen Messerbalkens ebenso für Früchte wie Soja, Erbsen und Gras. Vom Fahrer kann optional das Schneidwerk so eingestellt werden, dass es sich dynamisch, um 135 mm nach unten und 90 mm nach oben, an den Bodenverlauf anpasst. So können über die gesamte Arbeitsbreite von maximal 12,3 Meter auch bodennahe Früchte ohne große Verluste geerntet werden.

Den optimalen Gutfluss stellt eine mit neuer Kontur entwickelte Haspel über eine einstellbare Kurvenbahn sicher, bei der selbst liegendes Getreide vor dem Schnitt angehoben wird. Die Anpassung der Zugkraftregelung an die jeweils entsprechende Höhe erfolgt automatisch über den hydraulischen Haspelantrieb. Anhand von vorgegebenen Druckwerten wird verhindert, dass die Zinken der Haspel in den Boden einfahren. Die Verwicklung von Erntegut in der Haspel wird durch ein Flip-Over Konzept vermieden. Zur Entlastung des Messerbalkens lässt sich der Auflagendruck über das hydropneumatische System ACTIVE FLOAT anpassen.

Bild: Amazone

Auch bei Amazone sieht man neben steigenden Anforderungen von Kundenseite den Trend hin zu größeren Arbeitsbreiten und höheren Arbeitsgeschwindigkeiten. Gleichzeitig gilt es, den Fahrer durch Assistenzsysteme und Automatisierung von Prozessen zu entlasten. Damit steigen die Anforderungen an die Genauigkeit von hydraulischen Regelsystemen. Anwendungen mit niedrigem Energiebedarf wie etwa Dosierung werden daher eher rein elektrisch konzipiert. Gegenüber der hydraulischen Lösung kann dies häufig günstiger und mit genauerer Regelbarkeit umgesetzt werden kann.

Bei großen Anwendungen bleibt die Hydraulik unverzichtbar. So ist die selbstfahrende, von einem 160 Kilowatt starken Sechs-Zylinder-Dieselmotor angetriebene Feldspritze Pantera 4502 mit einer hydraulischen Vorderradlenkung, einer 4-Radlenkung und Hundeganglenkung für unebenes Gelände ausgestattet, die jeweils auf Knopfdruck aktiviert werden können. Der entsprechende Lenkwinkel wird an die Arbeitsgeschwindigkeit angepasst. Das ermöglicht eine Leistungsoptimierung insbesondere auf kleinen Flächen. Das hydropneumatisch gefederte Tandemfahrwerk mit automatischer Niveauregulierung wird abhängig von Füllstand und Fahrgeschwindigkeit geregelt.

Im Zusammenspiel mit der Aufhängung wird damit das Gestänge in der Horizontale ruhig und selbst bei schräger Hanglage stabil gehalten. Insgesamt geht man bei Amazone davon aus, dass die Leistungsanforderungen an die Hydraulik besonders in den kleinen und mittleren Traktorleistungsklassen weiter steigen. „Mit dem Ziel, die vorhandenen Aktoren einer Maschine immer präziser zu verfahren, wird die elektronische Ansteuerung der hydraulischen Funktionen weiter optimiert werden. Neben der Signalverarbeitung von beispielsweise Potentiometern zur Positionserfassung werden in Zukunft aber auch immer mehr aktuell noch rein hydraulische Signale wie Load-Sensing Drücke in Steuerblöcken durch elektronische Sensoren und Algorithmen ersetzt“, so Frank große Prues, M.Sc., Konstruktion Pflanzenschutztechnik Module bei Amazone.

Bild: Krone

Bei dem Grundfutter-Erntespezialist Krone ist man ebenso sicher, dass die Hydraulik besonders bei schlagkräftigen Maschinen mit hoher Leistungsdichte zukünftig eine bedeutende Rolle spielt. Dabei müssen die Hydraulikanlagen von gezogenen Maschinen an die immer leistungsfähigeren Schlepper-Hydrauliksysteme angepasst werden. Ist eine hohe Regelbarkeit gefordert, muss dies über Elektronik bewerkstelligt werden.

Gerade mit Bezug auf CO2-Reduzierung aber auch Digitalisierung und Prozessoptimierung wird dies eine große Rolle spielen. So wurden etwa besonders für stark ineinander verwachsene oder extrem liegende Bestände seitliche, hochstehende Trennmesser für das Direktschneidwerk XDisc als optionale Ausstattung entwickelt, die links und rechts vom Schneidwerk angebracht sind. Auf Knopfdruck werden die Trennmesser, hydraulisch angetrieben über den Feldhäcksler, eingeschaltet. Je nach Bedarf kann beispielsweise bei Kreisfahrten nur das jeweils benötigte Messer angesteuert werden oder über einen Klappmechanismus inaktiv positioniert werden.

Umfassendes Maschinenmanagement

Landwirtschaft 4.0 oder Precision Farming sind ebenfalls bei Bosch Rexroth ein beherrschendes Thema, denn es gilt, vorhandene Informationen intelligent zu verknüpfen, um den gesamten landtechnischen Prozess zu optimieren. Dazu gehört auch das (teil-)autonome Fahren. Schon heute gibt es zahlreiche Assistenzsysteme zur Arbeitserleichterung oder Produktivitätssteigerung. Dies kann beispielsweise durch Spurführungssysteme oder Maschinen, die der Leitmaschine folgen, erreicht werden.

Bild: BoschRexroth

Aber auch Themen der Nachhaltigkeit wie Energieeffizienz oder Reduzierung der Abgas- und Geräuschemissionen stehen nach wie vor auf der Agenda. Diese Trends beschleunigen die Elektronifizierung der Hydraulik. Das zeigt sich in elektronisch ansteuerbaren Ventilen, aber auch zunehmend bei elektronisch verstellbaren Pumpen und Motoren. Die integrierte Sensorik dient nicht nur der Regelung selbst. Die Daten bilden die Basis, um Maschinen und landtechnische Gesamtprozesse zu optimieren.

So ermöglicht die nächste Generation von Hydrauliksystemen von Bosch Rexroth mit e-Load-Sensing ein umfassendes Maschinenmanagement von Traktor plus Anbaugerät. Dabei wird die Systemabstimmung und Varianz in die Software verlagert. Gleichzeitig steigert e-Load-Sensing die Produktivität und die Energieeffizienz. Aber auch die vierte Generation der elektrohydraulischen Ventilansteuerung EHS für die neue Traktorventilfamilie SBx4 sowie eine neue Controller-Generation auf Basis modernster Automotive-Technologie und Sensoren mit der neuen SENT-Schnittstelle folgen dieser Entwicklung.

Landwirtschaft weltweit

Grundsätzlich gehört Landtechnik zu den vielfältigsten Industriezweigen weltweit, ist man bei Claas überzeugt. Unterschiedliche Anbaufrüchte, Boden- und Witterungsverhältnisse wie auch Unterschiede in den Betriebsgrößen und dem produktionstechnischen Niveau führen zu einer sehr hohen Produktbreite und einer steigenden Produktangebotskomplexität.

Die Umsetzung von Abgasvorschriften gestaltet sich in der Europäischen Union aufgrund einheitlicher Vorschriften einfacher. Da diese sich gegenüber den US-amerikanischen Regulierungen doch unterscheiden, wenn auch nur in Nuancen, bedingt dies zusätzlichen Entwicklungsaufwand und eine weitere Erhöhung der Angebotskomplexität. Weltweit betrachtet führen unterschiedliche Vorschriften in den Ländern Ost-Europas, Süd-Amerikas oder auch Indien und China wiederum zu unterschiedlichen technischen Lösungen. In etlichen Staaten gibt es sogar keinerlei Abgasregulierungen und es wird eine sehr einfache und kostengünstige Motorentechnik erwartet. All dies schlägt sich in deutlich steigenden Technikkosten für den Landwirt nieder.

Dass sich die Rahmenbedingungen regional sehr stark unterscheiden, weiß man bei auch beim Hydraulikspezialisten Bosch Rexroth: Reisanbau in Asien erfordert andere Maschinen als die Bewirtschaftung von riesigen Feldern in Nord- und Südamerika oder die eher kleinteilige, aber intensive Landwirtschaft in Europa.

Für Indien wurde beispielsweise speziell eine elektrohydraulische Hubwerksregelung entwickelt, die auf die lokalen Anforderungen zugeschnitten ist und auch dort gefertigt wird. Die Komponenten sind auf den Einsatz in tropischen und subtropischen Regionen mit hoher Schlamm- und Staublast angepasst. Damit ausgerüstete Traktoren eignen sich auch für den Einsatz im Reisanbau. Indische und deutsche Entwickler arbeiten bereits an einer Zusatzfunktion, die das Einebnen der Reisfelder vereinfacht.

Future Farm

Bei Fendt laufen unter diesem Stichwort verschiedene Projekte. Landwirte werden durch innovative Lösungen ermutigt, ihre Verantwortung gegenüber der Natur weiter zu erhöhen und noch effizienter, nachhaltiger und achtsamer mit Ressourcen umzugehen. Ein gutes Beispiel ist der elektrisch betriebene Fendt e100 Vario mit 50 kW Antriebsleistung, mit dem vollkommen abgasfrei auch in geschlossenen Gebäuden gearbeitet werden kann. Dank der 650 Volt starken Lithium-Ionen-Hochleistungsbatterie mit rund 100 kWh Kapazität kann der Kompakttraktor bis zu fünf Betriebsstunden unter realen Einsatzbedingungen arbeiten.

Besonders ökonomisch wird der Einsatz, wenn die die Batterie über lokal beim Landwirt installierte erneuerbare Energien wie Solar- oder Windkraftinstallationen aufgeladen wird. Entweder mit 400 V Spannung und bis zu 22 kW über eine genormte CEE Hofsteckdose oder über eine Supercharging Option mit Gleichspannung. Beim Laden mit einem genormten CCS Typ 2 Stecker hat die Batterie nach 40 Minuten wieder bis zu 80 Prozent ihrer Kapazität. An das Fahrzeug können alle verfügbaren Anbaugeräte angeschlossen und ohne Verzögerung mit maximalem Drehmoment betrieben werden. Besonders elektrifizierte Anbaugeräte erhöhen die Gesamteffizienz, da es keine Strömungs- oder Reibungsverluste gibt, was sich wiederum positiv auf die Instandhaltungskosten auswirkt.

Bild: Fendt

Im Forschungsprojekt Fendt Xaver wird an dem Einsatz von kleinen, im Schwarm tätigen Feldrobotern, die rund um die Uhr dank Satellitennavigation autonom und präzise Mais aussähen, gearbeitet. Mit Unterstützung aus der Cloud wird die Aussaat geplant, überwacht und dokumentiert. Exakte Daten darüber wann und wo die Saatkörner gesetzt werden, ermöglichen die Präzisierung der nachfolgenden Pflegearbeiten. Pflanzenschutz- oder Düngemittel können jeder einzelnen Pflanze direkt verabreicht werden.

Vorteile der leichten Feldflotte sind nicht nur Effizienzsteigerung und Ausfallsicherheit, da sich die Roboter im Schwarm gegenseitig ersetzen können, sondern auch eine schonende Feldbearbeitung mit fast fehlende Bodenverdichtung und dies rund um die Uhr. Zukünftig könnten sich also manche Arbeiten des Landwirts im Schlaf erledigen lassen.

Nachricht vom Feld

Aber auch die Aussicht, dass Pflanzen bald direkt mit dem Landwirt kommunizieren, ist nicht mehr in weiter Ferne. Ingenieure des MIT (Massachusetts Institute of Technology) haben vor kurzem an der Blattunterseite von Spinatpflanzen zwei mit Mesophyll gefüllte Nanokanülen angebracht.  Über eine der beiden Nanokanüle wurde ein permanentes Fluoreszenz-Signal als Basis-Signal ausgesendet. Zehn Minuten, nachdem der Spinat über seine Wurzeln ein Molekül, das auch chemischer Bestandteil von Explosionsstoffen ist, im Boden detektierte, wurde per Funk über die zweite Kanüle am Blatt ein fluoreszierendes Signal ausgesendet und von einer Infrarot-Kamera erfasst. Diese leitete die Nachricht an einen angeschlossenen Computer weiter, der wiederum eine E-Mail absetzte.

Vielleicht heißt es in nicht allzu ferner Zukunft für den Landwirt: Email für dich.

Dieser Artikel wurde zuerst im Magazin Fluid (verlag moderne industrie – Mediengruppe des Süddeutschen Verlag) veröffentlicht.

Autor
AutorBritta Muzyk-Tikovsky
2018-11-21T12:22:21+01:00

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