Big Data in der Cloud

Fachartikel

Mai 2018

Prozessverbesserung und Effizienzsteigerung mit Big Data-Analysen in der Cloud

Laut einer aktuellen IT Studie von Cap Gemini, bei der 121 IT-Entscheider aus deutschen (84), österreichischen (25) und Schweizer Unternehmen (12) befragt wurden, ist der Stellenwert der Digitalen Transformation gegenüber dem Vorjahr noch einmal gestiegen und liegt auf einer Skala von 5 bis 1 bei sehr hohen 1,77.

Etwa zwei Drittel der IT Chefstrategen sind überzeugt, dass sich sowohl die Geschäftsmodelle als auch die Geschäftsprozesse in ihrer Branche verändern werden. Knapp 20 Prozent nutzen bereits Big Data Anwendungen im Tagesgeschäft, vorrangig Konzerne und große Firmen gefolgt von kleineren Unternehmen. Letztere setzen eher auf Service-Anbieter, wohingegen beim Mittelstand die Hürde für die Umsetzung in den hohen Anfangsinvestitionen für eigene Systeme zu liegen scheint.

Foto: Capgemini

Hauptaugenmerk für den Einsatz digitaler Tools liegt auf der Effizienzsteigerung von kundenbezogenen und internen, produktions- oder logistikbezogenen Prozessen. Die Nutzung von Cloud-basierten Lösungen hat sich im Vergleich zum Vorjahr kaum verändert. Nur knapp die Hälfte der Befragten nutzt eine Cloud, die dann zum Großteil aus eigener Infrastruktur bereitgestellt wird.

Externe Cloud-Anbieter konnten ihr Wachstum leicht steigern, allerdings wird erwartet, dass Individualanwendungen für interne Geschäftsprozesse auch zukünftig aus dem eigenen Hause, Standardanwendungen sowie Plattformen und Middleware jedoch mit steigender Tendenz von externen Cloudanbietern stammen. Die Entscheidung für letztere orientiert sich an der schnelleren und einfacher skalierbaren Verfügbarkeit.

Hybride Dienste

Ursprünglich als reiner Datenspeicher mit Zugriff über das Internet gestartet, sind Cloud-Dienste heute ein komplexes Hybridsystem, das lokale Firmenanwendungen und -daten („On-Premise“) mit externen CRM-Systemen, internetbasierten Geräten und externen Dienstleistern wie etwa Social Media Anbietern verbindet. Ein ganzes Bündel an Cloud-Services erlaubt dann die Bewertung und Analyse von Daten mit Lerneffekt sowie die Ableitung von Maßnahmen zur Prozessverbesserung und Effizienzsteigerung.

AWS

Den weltweit größten Cloud-Dienst stellt Amazon mit Amazon Web Services (AWS) in 18 geografischen Regionen mit insgesamt 54 Verfügbarkeitszonen bereit, darunter auch deutsche 3 Zonen in Frankfurt. Industriekunden können aus über 250 Amazon-eigenen und Partner-Diensten wählen, etwa um Virtual-Reality (VR)-, Augmented-Reality (AR)- und 3D-Anwendungen zu erstellen oder mit Alexa Adminarbeiten per Sprache zu erledigen.

IoT Analytics erlaubt dank einer Kombination von lokaler Datenverarbeitung auf Geräten mit Synchronisierung zur AWS Cloud und SQL-Abfragen die Analyse dieser Daten oder auch Schlussfolgerungen per Machine Learning. So nutzt zum Beispiel Siemens Healthcare Diagnostics unter anderem AWS-Services mit Elastic Load Balancing und Elastic Cloud Coumputing für eine Diagnoseplattform, um die Versorgung von Patienten zu vereinfachen.

Der amerikanische Rüstungs- und Technologiekonzern Lockheed Martin ist von der Cybersicherheit des Amazon Angebots überzeugt. Zur Umsetzung von Kosteneinsparungen und System-Konsolidierung verlagerte Lockheed ihre interne Entwicklungs- und Testumgebung für SAP Anwendungen wie Betriebsdatenerfassung oder Finanzanwendungen in die AWS Cloud. Ein Hauptkriterium für die Entscheidung war Amazons SAP HANA Programm. Aufgrund der sensiblen Daten, die teilweise aus Regierungsaufträgen stammen, werden die Daten in der isolierten AWS GovCloud gespeichert, die auch das amerikanische Justizministerium benutzt.

SKIDATA als Anbieter von Massenzutrittslösungen für Parkhäuser oder Skilifte muss für seine Produkte auch auf Hardwarelösungen der Kunden wie etwa Einfahrtschranken oder Bezahlautomaten zugreifen. Daher wurden Datacenter in der Nähe der Kunden über Amazon Virtual Private Cloud (Amazon VPC) realisiert, um Zugriffszeiten zu verkürzen, aber auch neue Services wie automatische Kennzeichenerfassung anbieten zu können.

Microsoft

Der Anbieter aus Redmond stellt in seinem Cloud-Dienst Azure über 100 Dienste für Rechenumgebung, Netzwerk, Speicherung, webbasierte oder mobile Anwendungen, Analysen und Sicherheit zur Verfügung. Virtuelle Linux-Computer, SAP HANA-Workload-Unterstützung und Batch-Verarbeitung beschleunigen den Rechenprozess, Open Source-Technologien wie Kubernetes helfen dabei.

Dank Machine Learning können vorausschauenden Analyse-Tools erstellt werden. Vordefinierte Lösungsarchitekturen für vorausschauender Wartung oder auch zur Vorhersage des Füllstands von Öl- und Gastanks oder Prognosen zur Preisoptimierung stehen zur Verfügung. Für vernetzte Geräte kann auch Edge-Computing genutzt werden, um das Netzwerk zu entlasten.

Foto: Microsoft

Bis 2022 will der Konzern gut vier Milliarden Euro in das Internet der Dinge investieren. Rechenzentren sollen auf weltweit 50 Standorte erweitert und speziell in Deutschland ausgebaut werden. Der Hersteller von Holzbearbeitungsmaschinen HOMAG hat basierend auf Azure das auch für andere Hersteller offene IoT-Portal „tapio“ aufgebaut und sich damit ein neues Businessmodell für Services geschaffen. Maschinendaten werden in die Cloud-Plattform zur Analyse übertragen, um Informationen zu verteilt arbeitenden Produktionsumgebungen bereitstellen zu können.

Bei Liebherr wird die Microsoft-Cloud genutzt, um Händlern und damit auch Kunden eine einfachere, schnellere und weniger fehleranfällige Konfiguration von Baumaschinen zu ermöglichen. Mussten zuvor Listen aus dem zentralen System von Liebherr in das Händler-CRM-System importiert werden, wurde über die vom BizTalk Server hergestellte Schnittstelle bei Liebherr eine hybride Integrationsarchitektur mit standardisierten Services geschaffen, an die sich Händler mit ihren Backend-Systemen anschließen können.

IBM

Auch Big Blue sieht sich mit einer weltweit auf 60 Rechenzentren verteilten Cloud gut aufgestellt. Auf seiner Hausmesse im März präsentierte der Konzern eine neue Cloud-Integration-Plattform, die über nur ein Endgerät die Verwaltung unterschiedlichster Dienste und Daten selbst über verschiedene Clouds hinweg ermöglicht.

Wachsen will man vor allem mit Hilfe Künstlicher Intelligenz. Eines der Kernelemente, auf das sich IBM zur Differenzierung zum Wettbewerb fokussiert, ist die kognitive Analyse mit IBM Watson. Um neue mobile Applikationen speziell für Firmenkunden anbieten zu können, wurde die Partnerschaft mit Apple erweitert und zwei neue IBM Tools zur gemeinschaftlichen Entwicklung von iOS Apps bereitgestellt. IBM-Cloud Dienste wie etwa Künstliche Intelligenz lassen sich mit der „Cloud Developer Console for Apple“ von Anwendungen direkt ansprechen. Über die „Watson Services for Core Machine Learning“ (ML) können aktuell verschiedene Bildmerkmale erkannt werden, was erklärungsbedürftige Dienstleistungen wie Wartung oder Service zukünftig unterstützen kann.

Der Aufzug- und Rolltreppenspezialist KONE nutzt den IBM Cloud-Dienst Watson IoT, für die vorausschauende Wartung mittels künstlicher Intelligenz, damit möglichst niemand in den mehr als eine Million Aufzügen, Rolltreppen und automatischen Türen steckenbleibt.

ZF und UBS arbeiten mit dem IT-Riesen an einer „Car eWallet“ genannten IBM-Blockchain-Lösung, die neue Bezahldienste direkt mit dem Fahrzeug über die IBM-Cloud ermöglichen soll. Elektrofahrzeuge etwa könnten so den Ladevorgang automatisch bezahlen und Car Sharing Portale oder Parkplatzbetreiber nutzungsbasierte Gebühren direkt abbuchen. Auch die komplette Historie von Fahrzeugwartung und Service-Dienstleistungen könnte damit abgebildet und bei Garantiefällen oder zur Betrugsvermeidung beim Wiederverkauf verwendet werden.

Foto: ZF

Als nächste Entwicklungsstufe der vernetzten Fertigung sieht IBM die „Cognitive Factory“, bei der per Audio, Bild, Sprache oder Touch mit der gesamten Produktionslinie kommuniziert werden kann. Wenn Sherlock wissen möchte, an welcher Station sich ein bestimmter Auftrag befindet, wird Watson bereitwillig Auskunft geben.

Schaeffler

Auf IBM und deren Cloud-basierte Watson IoT-Lösungen setzt auch Schaeffler, Hersteller von Präzisionsprodukten, die etwa in Automobilkupplungen, Hybridmotoren oder auch in Großlagern von Windkraftanlagen verwendet werden.

„Cloud-Lösungen können ein wichtiger Hebel für neue Geschäftsmodelle sein. Die Cloud allein reicht jedoch nicht. Funktionierende Geschäftsmodelle auf Basis dieser Zukunftstechnologien erfordern auch eine offene Herangehensweise, ein Gespür für Geschäftsideen und vor allem die Problemlösung ganz nah am Kunden“, so Mark Fischer, Director Digital Business Innovation, Schaeffler Technologies AG & Co. KG.

Einige Referenzprojekte wurden mit Kunden des Herstellers über die Schaeffler Cloud und das Schaeffler Smart EcoSystem bereits umgesetzt. So wird etwa bei einem Industrieservice-Unternehmen der Zustand von Elektromotoren mit den digitalen Service „ConditionAnalyzer“ ausgewertet, um Ausfälle zu vermeiden.

Mit ZF wurden gemeinsame Experten-Modelle erarbeitet, die über eine Kommunikation zwischen dem digitalen Monitoring- und Steuerungssystem des Getriebeherstellers mit der Schaeffler Cloud die Analyse und Prognose des Getriebezustands in Windkraftanlagen ermöglichen.

Beim Trinkwasserversorger Perlenbach beugt ein autonomes System aus dem Condition Monitoring SmartQB und dem Schmierstoffgeber Concept8 dafür, dass Wartungsarbeiten frühzeitig geplant und Störungen im Wasserwerk durch Mangelschmierung oder Überfettung von Pumpen vermieden werden.

Show me the money – Welche Geschäftsmodelle sind denkbar

Aktuell basieren die meisten Preismodelle der Cloudanbieter auf Laufzeit-Lizenzen oder auf Verbrauchswerten nach Stunden, benutztem Speicher oder Rechenoperationen. Letzteres hat den weltweit größten Bierbrauer Anheuser-Busch Inbev nach einem entsprechenden Gerichtsbeschluss 600 Millionen Dollar gekostet. Grund waren fehlende Lizenzverträge für die indirekte Nutzung, etwa bei dem Zugriff auf SAP Daten aus Fremdsystemen wie Salesforce. Anfang April kündigte SAP an, dass Kunden die Zugriffe von Maschinen oder Drittsoftware auf SAP-Systeme auch transaktionsbasiert abrechnen lassen können.

Neben der Entscheidung, welche Anwendungen sich für eine Cloud-Umgebung eignen ist die Frage, wieviel Datenverkehr erwartet wird, daher mit eine der wichtigsten bei der Planung von Cloud-Projekten. Denn auch Lösungen wie das AWS Auto Scaling, das die von Anwendungen benötigte Kapazität überwacht und sie automatisch anpasst, um Performance und Kosten zu optimieren, kann bei unerwartet hoher Nutzung schnell zu unerwünschten Überraschungen führen.

Wie sicher sind die Daten

Immer häufiger werden Cyberangriffe oder Datenlücken bekannt. Laut einer Studie des VDMA ist vielen Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau das Risiko, das Cyberangriffe darstellen, noch nicht ausreichend bewusst. Alle großen Cloudanbieter lassen sich die Sicherheit ihrer Systeme von anerkannten, unabhängigen Stellen attestieren und bieten aus Compliance Gründen ihre Cloud mit Standort in Deutschland an.

Doch das größte Risiko liegt neben heute unbekannten Backdoors von technischen Bauteilen, wie zuletzt den Chiphersteller Intel betreffend, meist noch bei den Nutzern selbst. Personenbezogene Daten, die beispielsweise über E-Mail-Accounts abgegriffen werden könnten, oder Informationen aus den Produktionssystemen, sind besonders gefährdet.

Aus dem 23. Microsoft Security Intelligence Report (SIR) ist erkennbar, dass Hacker oft auf recht simple Art versuchen, sich Zugang zu fremden Informationen zu schaffen. Beliebt ist dabei das sogenannte Social Engineering, bei dem Mitarbeiter einer Firma ganz frech persönlich angesprochen werden, um an deren vertrauliche Daten oder Geräte zu gelangen. Auch das Phishing per Email steht mit einem Anteil von mehr als 50 Prozent weiterhin hoch im Kurs, denn zu viele lassen sich noch mit aberwitzigen und scheinbaren Fakten zum verhängnisvollen Klick verleiten. Nur selten werden Trojaner eingesetzt, um Sicherheitsmechanismen auszuhebeln. Ein hohes Risiko dagegen stellen Lücken und Backdoors in IT-Systemen dar, die Botnets zur Infizierung von Computern mit Malware nutzen können.

Foto: IBM

Auch der IBM X-Fore Sicherheitsreport kommt zu dem Schluss, dass für etwa zwei Drittel aller kompromittierten Datensätze menschliches Versagen verantwortlich ist, genauso wie für den Rekordanstieg bei falsch konfigurierten Cloud-Infrastrukturen. Zur Erhöhung der Datensicherheit kann daher auf einen alten analogen Rat zurückgegriffen werden: „Trau, schau, wem“.

Wissenswert

Schutzmaßnahmen für Industrienetze werden auch in dem von Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojekt IUNO entwickelt. Dort arbeitet Trumpf zusammen mit 13 Industrie-Unternehmen wie Bosch, Siemens, Infineon oder escrypt und 7 Forschungs- und Bildungseinrichtungen, darunter das DFKI, Fraunhofer Institut und auch die Technische Universität München, an Lösungen, die Industrie 4.0-Anwendungen sicher machen sollen.

Betrachtet werden vier Aspekte, darunter auch die Datensicherheit. „Ein neues Geschäftsmodell, das im Projekt IUNO betrachtet wird, ist ein Technologiedatenmarktplatz. Hierbei ist angedacht, dass Maschinenbetreiber zunächst eine Maschine mit Grundfunktionen erwerben und dann je nach Kundenauftrag über den Technologiedatenmarktplatz die dafür notwendigen Prozessdaten erwerben – oder diese dort selbst einstellen und anderen Herstellern als Lizenz anbieten“, Manuel Beuttler, Softwareentwickler bei TRUMPF Werkzeugmaschinen GmbH + Co. KG.

Foto: Trumpf

Im Projekt IUNO für die Webdienste verantwortlich. Abgesichert wird der Marktplatz über eine nach der Defense-in-Depth-Methode entwickelten Architektur, die Funktionstrennung, dediziert abgesicherte Schichten und gekapselte Microservices mit Kommunikation über definierte REST Web-Schnittstellen und einem Whitelisting verbindet.

Die Authentifizierung der Nutzer zur Freigabe von Marktplatzdaten erfolgt gesichert über das offenen OAuth 2.0 Protokoll. Die Transaktionen zwischen Endkunde, Maschine und Marktplatz zur Bezahlung des Endprodukts beziehungsweise Lizensierung der Fertigungsdaten werden über Blockchain-Technologie fälschungssicher abgebildet.

Dieser Artikel wurde auch im Magazin ke-next (verlag moderne industrie – Mediengruppe des Süddeutschen Verlag) veröffentlicht.

Autor
AutorBritta Muzyk-Tikovsky
2019-02-15T20:55:37+01:00

Nach oben